Was müssen Schweizer Arbeitgeber zur Beurteilung psychosozialer Risiken tun?

Das komplexe Thema „Psychischer Gesundheitsschutz von Mitarbeitern“ wird heute in der Schweiz ähnlich kontrovers diskutiert wie schon seit zwei, drei Jahren in Österreich und Deutschland. Grund hierfür ist wohl die seit kurzem veränderte Rechtslage in der Schweiz. Im Oktober 2015 wurde das Arbeitsgesetz (ArG) novelliert, wobei explizit die Pflicht der Arbeitgeber festgeschrieben wurde, dass diese neben dem Schutz der physischen auch die psychische Gesundheit Ihrer Mitarbeiter aktiv zu wahren und zu verbessern haben. Die grundsätzliche Notwendigkeit von Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) wird in der Schweiz selten bezweifelt, man kennt die positiven Effekte von sinnvollen BGF-Maßnahmen zur Förderung der körperlichen Gesundheit. Aber psychischer Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer?

Trotz Studien, welche die Sinnhaftigkeit von BGF-Maßnahmen zum Schutz psychischer Gesundheit belegen – etwa durch die schweizerische Gesundheitsbefragung oder die deutsche AOK-Versicherung – tendiert man immer noch eher dazu, psychische Krankheiten als Privatproblem der Beschäftigten abzutun. Viele Verantwortliche in Schweizer Unternehmen fühlen sich trotz der aktuellen Gesetzeslage noch nicht in der Pflicht, die psychische Gesundheit der eigenen Mitarbeiter zu thematisieren, geschweige denn aktiv zu schützen.

Die Website des Staatssekretariats für Wirtschaft in der Schweiz (SECO) lässt aber keine Zweifel. Es wird schnell klar, dass die Schweizer Arbeitgeber aufgrund der geltenden rechtlichen Grundlagen nicht nur aktiv zum Schutz der psychischen Gesundheit ihrer Mitarbeiter verpflichtet sind, die Einhaltung dieser Verpflichtung wird – analog zu Deutschland und Österreich – auch durch die kantonalen Arbeitsinspektorate kontrolliert. Will man als Unternehmen also keine Strafen riskieren, muss man handeln. Nur wer soll was tun?

Es bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder der Betrieb entscheidet sich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und beurteilt die psychosozialen Risiken intern, oder man beauftragt externe arbeitspsychologische Experten mit dieser Tätigkeit. Wir raten allerdings nur dann zur internen Risikobeurteilung, etwa durch den Chef oder durch HR-Verantwortliche, wenn diese Personen arbeitspsychologische Expertise vorweisen können. Falls nicht, sind externe arbeitspsychologische Fachleute die bessere Wahl. Eine externe Prozessbegleitung ist nicht teuer, spart aber häufig viel Zeit und Nerven, bringt wirksame Ergebnisse und bietet Rechtssicherheit.

Egal wer die Risikobeurteilung durchführt, der Prozess sollte ident aussehen und zu gleichen Ergebnissen kommen. Die SECO-Broschüre „Psychische Belastungen – Checklisten für den Einstieg“ von Jänner 2016 gibt eine erste Orientierung, wie hierbei prozesshaft vorgegangen werden sollte, um gesetzeskonform zu handeln. Grob kann der Prozess in folgende Punkte gegliedert werden:

  • Planung und Vorbereitung des Projekts,
  • Erhebung und Bewertung belastender Arbeitsfaktoren,
  • Entwicklung von Veränderungsideen,
  • Auswahl bzw. Umsetzung von Maßnahmen,
  • Kontrolle der Wirksamkeit

Wichtig ist hierbei, dass die Mitarbeiter aktiv am Prozess – insbesondere auch an der Entwicklung von Veränderungsideen – beteiligt werden sollten. Aber wie bzw. mit welcher Methode?

Einen guten Überblick über wissenschaftliche Verfahren, wie Checklisten, Fragebögen oder standardisierte Beobachtungs- und Interviewverfahren gibt hier etwa die deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua). Wichtig ist, dass die eingesetzten Tools als Qualitätskriterium die ISO Norm 10075 erfüllen müssen. Dies wird in aller Regel auch von der Arbeitsinspektion überprüft. Je nach betrieblicher Situation kann es sinnvoll sein, ein bestimmtes Verfahren oder eine Verfahrenskombination anzuwenden, um Daten zu erheben, zu beurteilen und Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Checklisten und Fragebögen können hierbei als sogenannte Screeningverfahren schnell und unkompliziert einen ersten Eindruck von psychischen Arbeitsbelastungen vermitteln, während im nächsten Schritt häufig Beobachtungs- oder Interviewverfahren vertiefend eingesetzt werden, um psychosoziale Risiken zu konkretisieren und Veränderungsideen zu entwickeln.

Für welches Projektdesign sich ein Betrieb schlussendlich entscheidet, obliegt der Expertise und Verantwortung des jeweiligen Projektleiters. Hierbei können, wie bereits erwähnt, externe Fachleute wie wir helfen! Externe Fachleute erklären im Zuge der Projektplanung auch die Aufwand-Nutzen Relation und welche rein unternehmerischen Vorteile die Beurteilung psychosozialer Risiken für den Betrieb bringt. Aber das ist ein Thema für einen künftigen Blogbeitrag.

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