Eye-Tracking & Co. zur Evaluierung psychischer Arbeitsbelastungen

Der Einsatz modernster Technik zur Identifikation stresserzeugender Faktoren in der Arbeit ist State of the Art. Doch welche technischen Neuerungen gibt es und welche Vorteile bringt ihr Einsatz tatsächlich?

Erkennen von Gefährdungen

Zur Wahl stehen eine ganze Reihe unterschiedlicher Methoden, um Stressbelastungen im Arbeitsalltag zu erkennen. Am beliebtesten sind Fragebogenverfahren. Fast jedes Unternehmen, das wir bei einem Evaluierungsprojekt begleiten, wünscht sich eine Mitarbeiterbefragung. Tatsächlich stellt ein Screening oft eine gute Basis für eine tiefergehende Beurteilung der vorliegenden Gefährdungen dar. Aus Expertensicht ist diese Wahl allerdings nicht immer ideal und meist auch nicht ausreichend, da Befragungen subjektiv sind und deren Ergebnisse, alleine schon um dem Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) zu entsprechen, mit zusätzlichen Methoden wie etwa Gruppeninterviews ergänzt werden müssen. In vielen Fällen ist die Kombination Fragebogen und Gruppeninterview zur Gefährdungsbeurteilung auch sinnvoll und ausreichend.

Wo wird High-Tech sinnvoll eingesetzt?

Objektive Ergebnisse liefern allerdings auch Interviews nicht, sondern insbesondere Verhaltensbeobachtungen. Hier kommt in letzter Zeit verstärkt High-Tech zum Einsatz. Wir setzen, wenn erforderlich, modernste Techniken wie mobiles Eye-Tracking und Videoanalysen ein, um Belastungsfaktoren zu identifizieren. Mittels Eye-Tracking Brille werden alle Blickfolgen eines Arbeitsablaufs aufgezeichnet, und das im Zehntelsekundenbereich. Störeinflüsse, die die Aufmerksamkeit beeinträchtigen, werden so schnell identifiziert, wobei manche dieser Einflüsse den Mitarbeitern gar nicht bewusst sind. In Befragungen würden sie also gar nicht erwähnt werden. Besonders wertvoll sind Eye-Tracking Analysen auch, um Über- und Unterforderungen festzustellen. Man kann so unabhängig von der Mitarbeitermeinung feststellen, welche Arbeitsabläufe besonders stressig und welche vielleicht besonders ermüdend sind und so in weiterer Folge die Arbeit entsprechend umgestalten, aber auch Schulungen daraufhin abstimmen. 

Neben Eye-Tracking Brillen werden auch Videokameras eingesetzt, um Arbeitssituationen aufzuzeichnen und auszuwerten. Dafür kommen spezielle Kameras zum Einsatz, die sicherstellen, dass tatsächlich alle relevanten Blickwinkel und -richtungen abgedeckt werden. Der Vorteil der Videoaufzeichnung gegenüber der herkömmlichen Verhaltensbeobachtung ist zum einen, dass Ablaufsequenzen wiederholt abgespielt und detailliert ausgewertet werden können, und zum anderen, dass in Situationen aufgezeichnet werden kann, wo beobachtende Personen den typischen Arbeitsablauf stören würden bzw. es aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt ist, dass zusätzlich jemand präsent ist und zusieht.

Eye-tracking kann beispielsweise dazu genützt werden, kritische Situationen im Straßenverkehr zu analysieren und auf Basis dieser Informationen Maßnahmen zur Entschärfung von Gefahrenquellen zu entwickeln. Die hier abgebildete nicht gestellte – Eye-Tracking Sequenz dauert nur etwas länger als zwei Sekunden, besteht aber aus 60 Frames, die Schritt für Schritt analysiert werden und uns eine Vielzahl an Informationen liefern. Man kann erkennen, wie der Radfahrer die Situation erfasst, auf eine Lösung fokussiert und diese Lösung umsetzt – in diesem Fall leider eine schlechte, das abrupte Befahren einer extrem stark befahrenen Straße (Anm.: In diesem Moment legt auch noch der Autofahrer den Rückwärtsgang ein, erkenntlich an den Rückfahrscheinwerfern). Solche Sequenzen können beispielsweise dazu dienen, Gefahrenquellen auszumachen und sinnvolle Lösungsvorschläge zu ihrer Entschärfung und damit zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer zu entwickeln.

Eye-Tracking und Employer Branding 

Eye-Tracking und Co. wird heute vor allem von größeren, namhaften Unternehmen eingesetzt. Kürzlich hat sich beispielsweise die ÖBB-Produktion GmbH dafür entschieden, gemeinsam mit IEPB ein solches zukunftsweisendes Projekt durchzuführen und mittels Eye-Tracking Brille und Videoaufzeichnungen die Arbeitsplätze der ÖBB-Triebfahrzeugführer auf gesundheitsgefährdende Belastungen hin zu evaluieren. Unternehmen wie die ÖBB-Produktion GmbH sehen darin die Chance, Job-Rahmenbedingungen bestmöglich zu optimieren, womit natürlich zugleich die Marke „ÖBB“ als verantwortungsvoller, attraktiver Arbeitgeber nachhaltig gefestigt werden kann.

Die Rechnung geht auf

Setzt man Nutzen und Kosten in Relation, werden bald viele Betriebe die neuen Möglichkeiten nutzen, um ihre Produktions- und Arbeitsabläufe „high-tech evaluieren“ zu lassen: Die Optimierung der Arbeitsgestaltung auf Basis objektiver Daten ist hoch effektiv und nützt damit sowohl den Beschäftigten als auch dem Unternehmen. Um also zur Eingangsfrage zurückzukehren: Bringt es Vorteile, Eye-Tracking und Co. zur Evaluierung der psychischen Arbeitsbelastungen einzusetzen? Unsere Einschätzung: Wenn man objektive Ergebnisse will, um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen, dann ganz klar, ja.

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